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Ein Novize im Kanzleramt – kein Problem, dachte man, das wird schon. Nichts wird. Der CDU-Chef denunziert „die Mitte“, lässt die AfD triumphieren – und schwadroniert von einem „Mehrheitswillen“. Es ist beschämend. Ein Schock. Und eine Zäsur. Eine Kolumne.
Die CDU sendet gerade einen hübschen Wahlwerbespot, voller Sonnenaufgangsbilder und Phrasen des frohen Mutes, um allen fleißigen Nettmenschen in diesem Land einen Kranz der Anerkennung zu winden: „Deutschland, was ist los mit Dir?“, so geht es los, so fragt eine freundlich zugewandte, warme, weibliche, in Positivität gebadete Stimme: „Warst Du nicht mal Exportweltmeister und Technologieführer?“
Aber ja, denkt man, das stimmt und schön war die Zeit, man will also gleich aufstehen, loslegen, mittun und den netten Herrn unterstützen, der bald darauf erscheint und uns abholt, um mit ihm diesen Weg zu gehen, gleichsam zurück und „wieder nach vorn“ zugleich: „Wie wäre das also – wenn wir das Gute wieder besser machen,… wir wieder zuversichtlich wären,… wenn Deine Politik weiß, was sie tut – und hält, was sie verspricht… Na, wie wäre das?“
Ja, wie wäre das? Von Friedrich Merz ist darauf keine Antwort mehr zu erwarten. Er hat vergangene Woche sein Versprechen vom 13. November 2024 gebrochen, für die Restlaufzeit der Restampelregierung keine Abstimmungen ins Parlament einzubringen, über die man sich nicht zuvor „mit Ihnen von der SPD und den Grünen in der Sache geeinigt hat“. Friedrich Merz hat „die Mitte“ preisgegeben, für nichts und wieder nichts, hat „sehenden Auges erstmalig bei einer Abstimmung im Deutschen Bundestag eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD ermöglicht“ (Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel) – und den Rechtspopulisten einen Triumph geschenkt. Er hat sich politischen Eckenstehern und Demokratiefeinden an den Hals geworfen, die alles schlechtreden in diesem Land, aus dem Affekt heraus, um eines vermeintlichen Vorteils im Wahlkampf willen – weil sein Wille geschehen sollte, jetzt und gleich und eins zu eins – ein Kleinkind, ein Trotzkopf, ein Dummerchen, Ist-mir-doch-egal: Man fasst es auch Tage später noch nicht.
Und man fasst beinahe noch weniger, dass Merz dabei auch noch jedes Verständnis für die Taktiken und Mechanismen des politischen Betriebs in Berlin hat vermissen lassen; dass er, blind vor eifernder Naivität und naiver Eiferei, Alice Weidel die Bühne bereitet, die AfD-Chefin zur „Staatsfrau“ geadelt hat, keine vier Wochen vor der Bundestagswahl – zu einer Staatsfrau, die es, wie Friedrich Luther Merz, nicht mehr mit ihrem „Gewissen“ vereinbaren kann, so und nicht anders abzustimmen, „aus Verantwortung“, „für Deutschland“ – während SPD und Grüne die Sicherheit des Landes gefährden. Was für ein Abgrund!
[…]
„Na, wie wäre das?“ Dass die Friedrich-Merz-CDU etwa Gegenwind aus den Kirchen nicht mal mehr juckt, spricht Bände. Sie wollte ein Lied der Hoffnung und des Aufbruchs, des Zusammenhalts und der Zuversicht anstimmen – und ist beim Sound des Trübsinns und der Finsternis gelandet. Es ist ganz gleich, ob die von der CDU angezettelte Shit-Show der Union am Ende 24 Prozent oder 36 beschert. Das Land, der Standort, die Wirtschaft und „die Mitte“ stehen nach dieser Woche schlechter da als vorher – und der politische Betrieb wird – bestenfalls – lange brauchen, um sich davon zu erholen: Die Friedrich-Merz-Union ist rechts abgebogen. Vom „rechten Weg“ abgekommen. Und bemerkt es nicht mal mehr.
Und dann in mitten dieses Artikels dieses Abstimmungsverhalten:
Was. Ist. Los. Deutschland? Könnt ihr nicht lesen?
Für die Wiwo ist es eigentlich unglaublich, dass Habeck noch vor Scholz kommt. ;)
Merz vereint gerade erfolgreich die Gesellschaft gegen sich